Guten Tag,
Ihnen stellt sich die Frage, ob Sie gegen FinnAir einen Anspruch auf Ausgleichszahlung im Sinne der Europäischen Fluggastrechteverordnung geltend machen können.
Dazu müsste jedoch zunächst einmal die Anwendbarkeit der Verordnung in Ihrem Fall erörtert werden.
Hierzu würde ich gerne Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung heranziehen:
1) Diese Verordnung gilt
a) für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, einen Flug antreten;
b) sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen eine Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist, für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedsstaats, das den Bestimmungen des Vertrags unterliegt, antreten, es sei denn, sie haben in diesem Drittstaat Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten.
Ihr Rückflug sollte in Tokyo, also in Japan, starten. Japan ist kein Mitgliedsstaat der oben genannten Verordnung, sodass die Verordnung gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a) nicht angewandt werden könnte. Glücklicherweise gibt es jedoch noch Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b). Danach kann die Verordnung auch dann angewandt werden, wenn das Luftfahrtunternehmen, das Sie von einem Drittstaat in einen Mitgliedsstaat befördert, ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist. Das sind solche Airlines, die ihren Sitz innerhalb der EU haben.
Sie sind mit FinnAir geflogen, einer finnischen Airline. Finnland ist seit dem 1.1.1995 ein Mitgliedsstaat der EU, womit FinnAir zu einem Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft gehört, da es seinen Sitz in der EU hat.
Eine Anwendbarkeit der Verordnung kann in Ihrem Fall also bejaht werden.
Haben Sie einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung gemäß Artikel 5 Absatz 1 i.V.m. Artikel 7 der Verordnung?
Nun komme ich auf Ihre Frage zu sprechen, ob Sie einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung geltend machen können.
Bei einer Annullierung des Fluges kann für den Fluggast ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung gemäß Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c) in Verbindung mit Artikel 7 Absatz 1 entstehen. Dieser Anspruch entsteht nur dann nicht, wenn der Grund für die Annullierung ein sogenannter außergewöhnlicher Umstand war.
Außergewöhnliche Umstände sind Ereignisse, die zur Verspätung oder zur Annullierung eines Fluges führen und für ein Luftfahrtunternehmen weder beeinflussbar, noch zu umgehen sind.
Dies Definition können Sie auch gern noch einmal unter folgendem Link nachlesen:
http://passagierrechte.org/Außergewöhnliche_Umstände
Es muss also jetzt geklärt werden, ob die in Ihrem Fall zugrunde liegenden Umstände einen solchen außergewöhnlichen Umstand begründen oder nicht.
Hierzu folgendes Urteil:
AG Köln, Urteil vom 24.4.2017, Az. 142 C 517/15 (bei Google zu finden unter: "142 C 517/15 reise-recht-wiki.de")
Reisende erreichten wegen der Annullierung eines in Tokio startenden Fluges und der erfolgten Ersatzbeförderung mit Zwischenlandung in Kopenhagen ihr Endziel Frankfurt mit mehr als 5-stündiger Verspätung. Hierfür forderten sie vor dem Amtsgericht Köln Schadensersatz gemäß der Fluggastrechteverordnung.
Das Luftfahrtunternehmen berief sich auf außergewöhnliche Umstände. Der Flieger habe den Start per Notbremsung abbrechen müssen, weil die Flugsicherung das Rollfeld zu früh freigegeben hätte, der Flieger dadurch in Wirbelschleppen des vorherigen geraten wäre und Schäden erlitten hätte.
Das Gericht gab den Ausgleichsansprüchen der Kläger statt, weil es weder in den vom Abgasstrahl anderer Flugzeuge erzeugten Luftverwirbelungen, daraus entstehenden technischen Defekten oder Fehlern seitens der Koordination des Luftverkehrs durch die Flugsicherung außergewöhnliche Umstände gegeben sah. All dies seien Risiken, die dem Luftfahrtbetrieb inhärent seien und damit nicht von außen kommend, unvorhersehbar oder unbeherrschbar.
Ich denke aufgrund der Existenz dieses Urteils lässt sich sagen, dass in Ihrem Fall keine außergewöhnlichen Umstände vorlagen. Damit können Sie meiner Meinung nach gegen FinnAir eine Ausgleichszahlung gemäß Artikel 5 Absatz 1 i.V.m. Artikel 7 Absatz 1 geltend machen. Da die Entfernung zwischen Tokyo und Frankfurt mehr als 3500km beträgt, ergibt sich meiner Meinung nach eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600€.
Ihre Frage wurde übrigens in diesem Beitrag schon einmal erörtert:
Pilot musste wegen Wirbelschleppen die Notbremse ziehen. Das führte zu einer Verspätung. Ist das ein außergewöhnlicher Umstand?
Hier ging es ebenfalls um einen Flug von Tokyo nach Frankfurt, bei welchem das Flugzeug in die vom davor anfahrenden Flugzeug erzeugten Wirbelschleppen geraten ist. Daraufhin musste der Pilot die Notbremse ziehen und es kam für den Fragesteller zu einer großen Verspätung. Der zu dieser Frage verfasste Beitrag bejahte ebenfalls den Anspruch auf eine Ausgleichszahlung.
Zum Schluss möchte ich noch darauf hinweisen, dass dieser Beitrag lediglich meine persönliche Rechtsmeinung darstellt. Es kann daher durchaus von Vorteil sein, zusätzlich einen Experten um Rat zu fragen.